Früher spielte meine Tante mehr als ich

Wie Games prägen und wohin sie sich entwickeln

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Computerspiele gehören zur Kultur des 21. Jahrhunderts. Auf diesen Umstand und nicht nur auf diesen möchte „extralife – eine Ausstellung zur Videospielkultur“ hinweisen, die vom 9. Oktober bis zum 22. November im Kunsthaus im KunstKulturQuartier im Rahmen von net:works zu sehen sein wird. Zum Kuratorenteam gehört der Soziologe Ulrich Tausend.

networks: Gestern am Computer gespielt?

Nein, gestern habe ich nicht am Computer gespielt, sondern war bei einem Musikfestival. Das Spielen kommt aktuell zu kurz.

networks: Wie oft spielt denn eine Spielentwickler und Medienpädagoge noch selbst?

Das kommt ganz auf die persönliche Situation und Konkurrenten um die Zeit an. Aber ich höre immer wieder von Spielentwicklern und Medienpädagogen, dass ihnen gefühlt zu wenig Zeit bleibt. In einer „normalen“ Woche sind es im Durchschnitt ca. 3 Stunden.

networks: Was hat den etwa 16 jährigen Uli an Spielen fasziniert und was interessiert dich heute?

Mit 16 war meine prägendste Spielphase. Ich hatte einen Super Nintendo und habe mich ständig mit meinen Freunden in Multiplayerspielen wie Super Mario Kart, Bomberman oder Jimmy Connors Tennis gemessen. Mit der Zeit sind ich und das Medium gereift. Heute finde ich besonders auch Spiele spannend, die Bezug auf das Medium selbst oder die Gesellschaft nehmen. Dabei sind es ganz unterschiedliche Spiele, die mir gefallen. Open World Games wie Fallout oder Grand Theft Auto wie auch kleine Indiegames wie Proteus, Spaceteam, B.U.T.T.O.N oder Johann Sebastian Joust.

networks: Wie hat sich das Medium „Computerspiel“ seit damals entwickelt?

Actionspiele wie Super Mario Kart gibt es immer noch. Sie sehen heute aber oft viel besser aus, was aber nicht unbedingt heißen muss, dass sie bessere Spiele sind. Auch heute sind es oft kleine Spiele, die von kleinen Teams entwickelt wurden, die mich wegen ihrer kreativen Grundidee faszinieren. Gleichzeitig haben die Spieledesigner viel über das Medium gelernt und verstehen es besser, die Spieler zu „leiten“. Neu sind Open World Games in denen ganze Welten in einem Spiel „leben“ und erfahren werden können. Durch die individuellen Entscheidungen in diesen Spielen schafft man sich ein ganz eigenes Erlebnis, das nicht unbedingt mit dem anderer Spieler vergleichbar ist.

Ulrich Tausend

Neben Computerspielen gilt die Leidenschaft von Ulrich Tausend der Lightpainting Fotografie.

networks: Haben heute kleine Teams überhaupt noch eine Chance oder wird der Markt nicht eindeutig von den großen Publishern dominiert, der anderen keine Luft zum Atmen lässt?

Bei einem großen Entwickler, der jahrelang mit hunderten von Personen an einem Spiel wie Grand Theft Auto V arbeitet, ist es auf jeden Fall sicherer. Die kleinen Teams müssen oft mehr ums Überleben kämpfen. Gleichzeitig hat man aber hier oft eher die Möglichkeit, die eigenen Ideen zu verwirklichen.

networks: Und können sie sich auf dem „Markt“ behaupten?

Eines der erfolgreichsten Spiele überhaupt ist Minecraft, das ursprünglich von einem einzelnen Entwickler, Markus Persson, entwickelt und inzwischen –  angeblich für 2,5 Milliarden Euro – von Microsoft übernommen wurde. Ich habe das Gefühl, dass Microsoft bewusst ist, dass es die Entstehungsgeschichte und seinen sehr offenen Umgang mit der Community respektieren muss, wenn es das Spiel erfolgreich weiterentwckeln will.

networks: Alles bestens, oder ist Minecraft nicht nur die Ausnahme von der Regel?

Minecraft ist sicherlich eine Ausnahme. Aktuelles Beispiel sind die Videospiel Entwickler von Tale of Tales, die trotz guter Kritiken für ihr aktuelles Spiel Sunset, das die Geschichte eines Bürgerkrieges aus der Sicht einer Haushälterin erzählt, gerade ihre Türen schließen mussten

networks: Haben mit dem 16 jährigen Uli auch junge Frauen mitgespielt oder war das damals nicht eine – ich übertreibe etwas – reine Jungen-Angelegenheit? Frage an den Soziolgen Uli: hat sich etwas geändert?

Mein Spiele-Freundeskreis war damals rein männlich. Das ist heute anders. Zum Thema Computerspiele und Geschlecht habe ich dann später im Studium geforscht. Laut dem deutschen Publisher Verband sind heute 47 Prozent aller Nutzer von Computer- und Videospielen in Deutschland Frauen. Aber diese spielen oft andere Spiele oder auch etwas anders (z.B. weniger kompetitiv) als die männlichen Spieler. Als ich meine Untersuchung zum Thema „Erklärungsfaktoren für den Konsum von Computerspielen“ machte, hat sich gezeigt, dass meine Tante damals mehr spielte als ich. Sie hat in der Mittagspause am Computer Sudoku gespielt, sich aber sicherlich, anders als ich, nicht als „Gamer“ betrachtet.

networks: Wie sieht der Gamer Uli heute Computerspiele?

Für mich sind Computerspiele aktuell das spannendste Medium. Zum einen wegen der Interaktivität, denn anders als bei Büchern oder Filmen reagiert das Medium ja auf mich. Zum Anderen wegen seiner „Jugend“ und der damit einhergehenden rasanten Entwicklung. Wenn man Spiele vor 30, 20 oder 10 Jahren mit denen von heute vergleicht, hat sich das Medium sehr stark weiterentwickelt und ausdifferenziert.  Ich bin gespannt, was sich duch Virtual Reality und mobile Geräte in den nächsten Jahren beim Spielen tun wird.

 

Lichtkunst

Bei der re:public 2015 hat Ulrich Tausend den Lightpainting Weltrekord aufgestellt.

Der Soziologe Ulrich Tausend erstellt seit dem Verkauf seiner Onlinespiele Firma Neodelight.com im Jahr 2008 Lernspiele und konzipiert medienpädagogische Projekte. Er ist medienpädagogischer Referent am JFF – Institut für Medienpädagogik. Außerdem unterrichtet er an der Mediadesign Hochschule im Bereich Gamedesign. Zudem engagiert er sich in den Initiativen Creative Gaming und gameLabor.

„extralife“ ist vom 9. Oktober bis 22. November im Kunsthaus im KunstKulturQuartier zu sehen. Link zur Veranstaltung

Interview mit dem Kurator Patrick Ruckdeschel hier.

Rainer Hertwig am 13. Juli 2015

1 Kommentar

  • extralife - Eine Ausstellung zur Videospielkultur - tausendMedien

    […] mit mir und meinem Kurator-Kollegen Patrick […]